Hirsutismus – Ursachen, Aussehen & Online-Hilfe von Fachärzten

Zwei, drei ungewöhnlich kräftige Haare am Kinn, an der Brust oder auf dem Rücken einer Frau können störend wirken; fallen jedoch nicht weiter auf. Was aber, wenn der Bewuchs stärker ist oder sich gar zu einem regelrechten Bart bzw. „Brustpelz“ verdichtet? Dann ist die Frau möglicherweise von Hirsutismus betroffen – der übermäßigen Bildung so genannter Terminalhaare.

Hirsutismus ist älter als die schwarz-weiss Fotografie – neue Therapien ermöglichen die erfolgreiche Behandlung.

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Hirsutismus in früheren Zeiten

Das Phänomen stark behaarter Frauen ist nicht neu. Die vermutlich älteste Darstellung entstammt der „Schedelschen Weltchronik“ von 1493. Sie zeigt eine weibliche Person mit grotesk anmutenden Locken, die sich vom Kopf über den Rücken, die Brust und die Oberarme bis zu den Beinen ergießen. Wer hierfür als Vorbild diente, ist unbekannt; dass es sich um die Illustration von Hirsutismus handelt, ist jedoch unverkennbar.

Zum Zeitpunkt seiner Entstehung dürfte das Bild großes Entsetzen hervorgerufen haben – denn alles, was nicht halbwegs regelkonform war, galt schnell als Teufelszeug. In diesem Kontext steht vermutlich auch das „Bildnis der Margret Halseber“. Von dem etwa 1550 geschaffenen Ölgemälde existieren gleich mehrere Versionen; die jeweiligen Schöpfer aber hielten ihre Namen geheim.

Beide Fakten belegen, dass Hirsutismus sowohl Faszination als auch Widerwillen hervorrief – erst recht, weil seine Ursachen unbekannt waren. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein galten bärtige oder sonstwie behaarte Frauen als furchterregende Attraktionen. Viele wurden in Wanderzirkussen oder so genannten Freak-Shows ausgestellt oder ließen sich bewusst gegen Geld bestaunen.

Das optische Bild des Hirsutismus

Heute ist Hirsutismus eine recht gut erforschte Erscheinung. Streng genommen handelt es sich bei der übermäßigen Behaarung um ein Symptom; also das äußerlich erkennbare Zeichen einer zu Grunde liegenden Störung. Es kann bereits im Kindesalter auftreten und sich sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen zeigen; als Erwachsene sind naturgemäß nur noch Frauen betroffen.

Bei Hirsutismus werden die hellen, weichen Vellushaare

  • im Bereich der Schläfen und des Jochbeins
  • auf den Wangen, der Oberlippe und dem Kinn
  • auf den Oberarmen, Oberschenkeln, Schienbeinen und Waden
  • auf Rücken und Brust
  • im Bereich des Nabels und der Scham

von dunklen, kräftigen Terminalhaaren verdrängt. Das entspricht jenem Vorgang, der bei männlichen Personen mit Einsetzen der Pubertät immer weiter fortschreitet: dem oft innig herbeigesehnten Sprießen von:

  • Koteletten
  • Oberlippen- und Kinnbart
  • Arm-, Bein-, Brust-, Rücken- und Schambehaarung

Die einzelnen Haare fühlen sich auch genau so an. Sie sind spürbar fester und dicker als das Kopfhaar und weisen für gewöhnlich eine dunklere Färbung auf.

Doch nicht in allen Fällen kommt es zu einer so starken Verdichtung, dass sich ein erkennbarer Kinnbart oder „Brustpelz“ bilden. Manchmal beschränkt sich die Auswirkung des Hirsutismus auf buschige Augenbrauen oder die Ausbildung einer stärkeren Oberlippen-Behaarung, wie sie die mexikanische Malerin Frida Kahlo trug. Eine ebenfalls typische Erscheinung ist die Ausweitung der Schambehaarung auf die Nabellinie und die Innenseiten der Oberschenkel, so dass sie eher einem Rhombus als dem bekannten Dreieck gleicht.

Auffallend ist, dass vor allem Frauen mit dunklem Teint und dunklen Haaren betroffen sind; bei hellen Typen tritt Hirsutismus so gut wie nie auf.

Wie es zu Hirsutismus kommt

Die Auslöser für den übermäßigen Haarwuchs sind vielfältig; doch nur ein Bruchteil der Gesamtfälle fußt auf Erkrankungen.

Veranlagung

Sage und schreibe 90% der Betroffenen entwickeln Hirsutismus idiopathisch; d.h. ohne erkennbare Ursache und unabhängig von anderen Krankheiten. Bei ihnen beruht die Veränderung auf einer genetisch bedingten Fehlfunktion. Vermutlich handelt es sich dabei um eine Überreaktion auf körpereigenes Testosteron.

Das erklärt, warum Hirsutismus vor allem

  • im Laufe der Pubertät,
  • zu Beginn einer Schwangerschaft oder
  • während der Wechseljahre

ausbricht: Bei diesen Prozessen stellt der Körper den Hormonhaushalt um und schüttet vermehrt Testosteron aus – für Frauen mit entsprechender Veranlagung der optimale Katalysator für verstärkten Terminalhaarwuchs.

Grunderkrankungen

Dementsprechend kommen als weitere Auslöser nahezu alle Erkrankungen in Frage, die den Hormon- und / oder Testosteronhaushalt beeinflussen:

  • das Adrenogenitale Syndrom (AGS), eine Störung im Bereich der Nebennieren
  • Akromegalie, ein selten vorkommender Überschuss an Wachstumshormonen
  • Hypophysenadenome
  • neurologische Erkrankungen
  • das Polyzystische Ovarialsyndrom, eine Funktionsstörung der Eierstöcke
  • Porphyrien, eine Gruppe bestimmter Stoffwechselerkrankungen

Medikamente

Darüber hinaus kann auch die Einnahme von Medikamenten zu Hirsutismus führen. Zu den diesbezüglich relevanten Präparaten gehören:

  • ACTH (Hormone, die die Nebennierenrinde stimulieren)
  • Anabolika (Muskelaufbaumittel)
  • Androgene
  • Antihypoglykämika (gegen Unterzuckerung)
  • Blutdrucksenker
  • Gestagene (weibliche Sexualhormone)
  • Glukokortikoide (das so genannte Kortison)
  • Haarwuchsmittel
  • Immunsuppressiva (bei Autoimmunerkrankungen oder nach Transplantationen)

Neben- und Wechselwirkungen

Häufig geht der so ausgelöste Hirsutismus mit Begleiterscheinungen wie

  • Klitoris-Vergrößerung
  • Kehlkopfwachstum und damit einhergendes Tieferwerden der Stimme
  • Haarausfall bzw. Glatzenbildung
  • Zyklusstörungen oder Ausbleiben der Regelblutung
  • Zunahme der Muskelmasse
  • Erschlaffen des Brustgewebes
  • Übergewicht
  • Insulinresistenz

einher. Umgekehrt begünstigen Grunderkrankungen wie

  • Adipositas
  • Metabolisches Syndrom
  • Morbus Cushing
  • Osteoporose

den Ausbruch von Hirsutismus.

So stellt der Arzt die Diagnose

Kommen Kinder oder Frauen mit (plötzlich) verstärktem Terminalhaarwachstum bzw. einer der genannten Nebenwirkungen zum Arzt, wird dieser zunächst die Krankengeschichte erfragen. Er bringt in Erfahrung,

  • wann das Haarwachstum eingesetzt hat,
  • ob und welche Grunderkrankungen bestehen,
  • ob und welche Medikamention erfolgt,
  • und ob andere weibliche Mitglieder der Familie betroffen sind.

Im nächsten Schritt führt er eine Blutuntersuchung durch. Dabei achtet er besonders auf die Werte von:

  • Testosteron, dem wichtigsten männlichen Sexualhormon
  • Dehydroepiandrosteronsulfat (DHEAS), einer Vorstufe verschiedener Sexualhormone
  • Prolaktin, dem Milchbildungs-Hormon

Ist letzterer erhöht, könnte der Hirsutismus durch einen gutartigen Tumor oder die Einnahme bestimmter Medikamente begründet sein. Zur Abklärung dessen wendet der Arzt zusätzliche Mittel wie eine Computertomografie oder Ultraschall an.

Nicht zuletzt entscheidet auch der optische Eindruck über die Diagnose. Dabei hilft der so genannte Ferriman-Gallwey-Index. In seiner aktuellen Version nennt er 19 möglicherweise betroffene Regionen mit Ausprägungsgraden von 1 bis 4. Alternativ können die vorhandenen Haare nach Dicke, Anzahl und Lokalisation beurteilt werden.

So wird Hirsutismus behandelt

Bestätigt sich der Verdacht auf eine Tumor- oder Hormon-Erkrankung, sollten die notwendigen Schritte zur Behandlungt eingeleitet werden.

Ist der Hirsutismus auf die Einnahme oder den Missbrauch von Medikamenten zurückzuführen, sollten diese abgesetzt bzw. gegen ein besser verträgliches Mittel ausgetauscht werden.

Bei idiopathischem Hirsutismus bestimmt der Leidensdruck Betroffener über das weitere Vorgehen. Dabei müssen

  • das Alter der / des Betroffenen
  • eventuell bestehende Erkrankungen
  • eventuell bestehender Kinderwunsch bzw. der Wunsch nach Verhütung

berücksichtigt werden. Je nach Ausprägung und Lokalisation des Haarwuchses kommen verschiedene Behandlungs-Methoden zum Einsatz:

lokal

Bei schwach ausgeprägtem Hirsutismus genügt es meist, die betroffenen Hautstellen regelmäßig zu rasieren bzw. zu epilieren. Auch das Bleichen mittels Wasserstoffperoxid, der Besuch von Waxing-Studios oder das Veröden mittels Laser sind gängige Maßnahmen, mäßigen Haarwuchs wirkungsvoll zu bekämpfen.

Bei stärker ausgeprägtem Hirsutismus kann der Arzt eine spezielle Wirkstoff-Creme verschreiben. Sie wird zweimal täglich im Abstand von mindestens acht Stunden dünn im betroffenen Bereich aufgetragen. Die haarwuchshemmende Wirkung zeigt sich jedoch erst nach mehreren Wochen und geht mit dem Absetzen der Creme wieder verloren.

medikamentös

Reichen diese Methoden nicht aus, können Betroffene ihren Hirsutismus medikamentös behandeln (lassen). Das häufigste Mittel der Wahl sind Antiandrogene, die die Wirkung männlicher Sexualhormone in den Haarfollikeln hemmen. Möchten Patientinnen zugleich verhüten, erhalten sie die Antiandrogene in Verbindung mit einem Ovulationshemmer, der die Testosteron-Ausschüttung der Eierstöcke drosselt – und damit ebenfalls einen Beitrag wider Hirsutismus leistet.

selbstbewusst

Nicht zuletzt steht es Betroffenen natürlich frei, ihren Bewuchs zur Schau zu stellen. In Zeiten kontinuierlich wachsender Hipster-Bärte scheint das weibliche Pendant nur konsequent. Das dafür nötige Selbstbewusstsein gibt es allerdings nicht auf Rezept. Und last – but not least – muss das Haar gut gepflegt sein, um Wirkung zu erzielen.

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