Syphilis (harter Schanker): Ursachen, Symptome & Behandlung

Kaum eine Krankheit hat früher lebende Generationen so geschreckt wie die Syphilis. Das spiegeln nicht nur die teils aberwitzigen Thesen zur Ursache und Behandlung wider – sondern auch die zahlreichen Alternativ-Bezeichnungen der Infektion. Sie ist als englische oder französische Krankheit bekannt; wird manchmal Schanker genannt und gelegentlich auch nach Bibelfiguren bezeichnet. Unter keinem Begriff aber ist die Syphilis berühmter geworden als unter der recht freien Übersetzung ihres lateinischen Namens: Lues venerea, die Lustseuche.

Was ist Syphilis?
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Kurz und knapp: Das Wichtigste über Syphilis

Als sexuell übertragbare Krankheit wird Syphilis vornehmlich durch Geschlechtsverkehr weitergegeben. Das ist an sich schon tückisch genug; ihr eigentliches Wesen aber offenbart die Infektion erst im Detail:

Von Syphilis betroffene Personen lassen zwar charakteristische Symptome, aber keinen einheitlichen Krankheitsverlauf erkennen. Das liegt in erster Linie daran, dass der Erreger passiv bleiben kann. Das heißt: Er dringt in den Körper ein und ist nachweisbar; nimmt seine zerstörerische Arbeit jedoch nicht oder nur verzögert auf.

Des Weiteren klingen die ersten typischen Syphilis-Symptome nach einiger Zeit von selbst wieder ab, so dass Betroffene manchmal gar nichts von einer Infektion bemerken oder die frühen Anzeichen der Krankheit zu wenig beachten.

Und nicht zuletzt zeigt sich das komplette Ausmaß der Syphilis erst nach langer Zeit. Infizierte Patient/-innen können mehrere Jahrzehnte ohne Beschwerden oder Symptome leben, obwohl sie den Erreger in sich tragen.

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass sie andere Personen jederzeit anstecken können und diese die Krankheit weitergeben – unabhängig davon, ob sich die Syphilis bei einem / einer Infizierten bemerkbar gemacht hat.

Lang und dramatisch: Der Krankheitsverlauf

Was aber heißt „bemerkbar machen“ im Falle einer Syphilis-Infektion? Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach, denn bei dieser Krankheit durchlaufen Betroffene vier Stadien, die durch jeweils eigene Symptome gekennzeichnet sind:

Lues I, das Primärstadium

Zwischen einer Infektion und den ersten Anzeichen dafür vergehen zwischen 14 und 21 Tagen; in einigen Fällen aber auch nur eine Woche oder rund drei Monate. Dort, wo der Syphilis-Erreger ins Körperinnere eingedrungen ist, bildet sich ein dunkelrotes, etwa hirsekorngroßes Knötchen.

Da die Übertragung überdurchschnittlich oft durch sexuelle Praktiken erfolgt, findet es sich dieses Mal für gewöhnlich

  • auf den Schamlippen bzw. in der Scheide,
  • am Penis
  • in der Afterregion.

Es kann aber auch an allen anderen Stellen sitzen, die mit den Schleimhäuten der infizierten Person in Berührung gekommen sind.

Aus dem anfangs unscheinbaren Knötchen entwickelt sich der so genannte harte Schanker – ein stark nässendes Geschwür mit festen, erhabenen Rändern. Manchmal entstehen in seiner Nähe weitere Hautveränderungen dieser Art. Jede einzelne ist hochinfektiös und lässt die direkt benachbarten Lymphknoten kontinuierlich anschwellen.

Nach einigen Wochen klingen die so beschriebenen Erst-Symptome einer Syphilis-Infektion von selbst wieder ab.

Lues II, das Sekundärstadium

Innerhalb der nächsten zwei bis drei Monate verteilt sich der Syphilis-Erreger über die Lymph- und Blutbahnen im gesamten Körper. Die daraufhin entstehenden Beschwerden erreichen individuelle Intensität; sind im Prinzip aber immer gleich. Zu

  • allgemeiner Abgeschlagenheit mit Fieber
  • erneuten bzw. weiteren Lymphknoten-Schwellungen
  • Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen

gesellt sich ein fleckiger Hautausschlag. Für gewöhnlich tritt er nur am Rumpf auf; ist gelegentlich aber auch auf den Fußsohlen und den Handflächen zu sehen. Im weiteren Krankheitsverlauf verdichten sich die Flecken zu rotbraunen Knötchen. Diese können nässen oder abschuppen und bilden eine erneute Ansteckungs-Quelle.

Manche Syphilis-Patient/-innen zeigen zusätzlich

  • fraßartigen Haarausfall,
  • eine geschwollene Mundschleimhaut und / oder
  • einen stark geröteten Rachenraum.

Alle genannten Symptome treten schubweise auf und klingen nach etwa 12 Monaten gänzlich ab.

Neurosyphilis

Im Sekundärstadium besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass der Syphilis-Erreger das zentrale Nervensystem angreift. Die dafür typischen Anzeichen wie

  • Kopfschmerzen
  • Nackensteifigkeit
  • Hör- und Sehstörungen
  • Lähmungen

treten jedoch nicht zwingend auf. Daher können Ärzte eine so genannte Neurosypilis nur durch gezielte Laboruntersuchungen sicher diagnostizieren bzw. ausschließen.

Lues III, das Tertiärstadium

Etwa ein Viertel aller Infizierten zeigt nach mehreren Jahren oder gar Jahrzehnten weitere Symptome. Auf der Haut, im darunter liegenden Gewebe und an innenliegenden Organen können sich Knoten bilden, die bei bei einigen Patient/-innen aufbrechen und Sekret absondern.

Der Anblick derart geschädigter Syphilis-Opfer hat die Krankheit zu einem der größten Schrecken in der Medizingeschichte gemacht. Gutgemeinte Hilfsangebote wie die Einnahme bzw. das Auftragen von Quecksilber haben die äußere Erscheinung der Patient/-innen noch weiter verschlimmert.

Doch der Syphilis-Erreger wirkt nicht nur sichtbar. Er schädigt auch die Wände der großen Blutgefäße, so dass es zu Aneurysmen und Durchblutungs-Störungen kommen kann. Manche Betroffene bilden eine Herzklappen-Insuffizienz und / oder eine Entzündung der Regenbogenhaut bzw. des Sehnervs aus.

Metasyphilis, das Quartärstadium

Das vierte und letzte Stadium markiert den körperlichen und geistigen Verfall. Rückenmark und Hirn sind durch den Syphilis-Erreger soweit geschädigt, dass sie ihre Funktionen nicht mehr erfüllen können.

In künstlerischen Konzeptionen ist dieses Stadium oft überhöht worden. Viele Werke stellen das Finale der Krankheit als besonders schöpferische Phase dar – und scheinen durch herausragende Beispiele Recht zu haben. Tatsächlich aber ist die Lebensqualität der Patient/-innen zu diesem Zeitpunkt stark eingeschränkt.

Sie zeigen eine Reihe physischer und psychischer Auffälligkeiten, die sich in jeweils einer Gruppe zusammenfassen lassen:

Tabes dorsalis

  • lanzenstichartige Schmerzen in Beinen und Bauch
  • Gangunsicherheiten
  • Empfindungsstörungen
  • Verlust der Blasen- / Darmkontrolle
  • Lähmungserscheinungen

progressive Paralyse

  • Halluzinationen
  • Wahnideen
  • geistiger Abbau
  • Demenz

Über kurz oder lang führt der schrittweise Funktionsausfall schließlich zum Tod der Betroffenen.

Klein und unscheinbar: Das verantwortliche Bakterium

So weit kommt es heute allerdings nicht mehr. Dank frühzeitig platzierter Aufklärungs-Kampagnen bzw. der augenfälligen Erst-Symptome werden Syphilis-Infektionen meist rechtzeitig erkannt und entsprechend behandelt. Vorausgesetzt, Patient/-innen suchen einen Arzt auf und überwinden ihre Scheu oder gar Scham vor der möglichen Diagnose.

Die Zeiten, in denen die Krankheit als „gerechte Gottesstrafe für irdische Laster“ galt, sind vorbei. Prinzipiell kann sie jede/-n treffen – unabhängig von der sexuellen Ausrichtung und dem Lebenswandel.

Ursache der Syphilis ist nicht die Freude am Sex oder an außergewöhnlichen Praktiken – sondern ein Bakterium aus der Spirochäten-Familie: Treponema pallidum kommt

  • in der Bodenschicht von Gewässern
  • im Magen- / Darm-Trakt von Insekten
  • im Rachen von Säugetieren

vor. Menschen droht dadurch keine Gefahr, denn außerhalb seiner angestammten Hemisphären ist Treponema pallidum kaum überlebensfähig. Die Wahrscheinlichkeit, sich in freier Natur mit Syphilis zu infizieren, liegt im Null-Komma-Nichts-Bereich.

Eine Übertragung des Erregers ist ausschließlich zwischen menschlichen Organismen möglich – also dann, wenn eine der beteiligten Personen von Treponema pallidum befallen ist. Da das Bakterium nur auf Schleimhäuten siedelt, muss es zum direkten Kontakt kommen. Bei Oral-, Vaginal- oder Analverkehr mit einem / einer bereits Infizierten erhöht sich die „Trefferquote“ des Syphilis-Erregers auf 40 bis 60 Prozent.

Vielfältig und gründlich: Die Syphilis-Diagnose

Ob es tatsächlich zu einer Infektion gekommen ist, ermittelt der Arzt durch spezielle Untersuchungen. Zuvor aber befasst er sich mit den äußerlich erkennbaren Symptomen und der Krankheitsgeschichte seiner Patient/-innen. Erst, wenn sich dadurch der Verdacht auf Syphilis festigt, veranlasst er weiterführende Test.

Mikroskop-Probe

Der Arzt entnimmt dem so genannten harten Schanker Sekret, das er unter einem abgedunkelten Mikroskop untersucht. Enthält die Flüssigkeit das charakteristisch geformte Treponema pallidum, steht die Diagnose „Syphilis“ fest.

Blutuntersuchung

Können im Blut von Patient/-innen Treponema pallidum-Antikörper nachgewiesen werden, heißt das, dass der Organismus Maßnahmen zur Bekämpfung von Syphilis ergriffen hat. Dafür muss der Erreger jedoch nicht zwingend aktiv geworden sein. Daher prüft der Arzt in einem zweiten gezielten Test ob Treponema pallidum noch ruht, ob es bereits arbeitet oder ob es sogar schon gearbeitet hat – denn manchmal geht eine Syphilis-Infektion unbemerkt an den Betroffenen vorbei.

Liquorpunktion

Das Nervenwasser kann zahlreiche Entzündungszeichen und Antikörper enthalten, die an anderer Stelle nicht nachweisbar sind. Durch eine Untersuchung stellt der Arzt fest, ob die Syphilis das zentrale Nervensystem befallen hat. Zu diesem Zweck führt er eine sehr feine Kanüle in den Rückenmarkskanal ein und entnimmt ihm etwa 10 ml Liquor.

Weiterführende Tests

Da Syphilis häufig als Folge- oder Begleiterkrankung auftritt, prüft der Arzt seine Patient/-innen zusätzlich auf

Überraschend einfach: Die Syphilis-Therapie

Hat sich der Verdacht auf Syphilis bestätigt, ist eine Penicillin-Kur die erste Wahl. Obwohl dieses Antibiotikum bereits seit Jahrzehnten gegen Treponema pallidum eingesetzt wird, hat das Bakterium ihm noch nichts entgegenzusetzen. Reagieren die Betroffenen allergisch auf Penicillin, kommen selbstverständlich andere Antibiotika zum Einsatz.

Sie werden entweder in den Gesäßmuskel gespritzt oder den Patient/-innen via Infusion verabreicht. Die Menge und die Dauer der Injektionen hängen ab vom Krankheitsstadium und der Aktivität des Syphilis-Erregers.

im Frühstadium

Liegt die Infektion weniger als 12 Monate zurück, werden den Betroffenen einmalig 1,2 Mio i.E. in jede Körperseite injiziert.

im Spätstadium

Ein Infektions-Zeitpunkt von über einem Jahr erfordert zunächst einen Test auf Neurosyphilis. Die Gabe von 1,2 Mio i.E. pro Körperseite wird nach 8 und 15 Tagen wiederholt.

bei Neurosyphilis und bei Syphilis im Tertiärstadium

Ist die Krankheit bereits fortgeschritten, werden die Betroffenen stationär behandelt. Die Antibiotika-Injektionen erfolgen in höheren Dosen und über die Dauer von 21 Tagen.

bei Nebenwirkungen

So gut Penicillin bei Syphilis auch anschlägt – ganz ungefährlich ist das Antibiotikum nicht. Neben seinen bekannten Nebenwirkungen kann es die so genannte Jarisch-Herxheimer-Reaktion nach sich ziehen. Sie geht mit

  • Schüttelfrost
  • Fieber
  • Kopfschmerzen
  • Muskelschmerzen
  • Blutdruckabfall

einher und macht die zusätzliche Gabe von Kortison erforderlich. Besteht der begründete Verdacht, dass Syphilis-Patient/-innen eine Jarisch-Herxheimer-Reaktion zeigen werden, erhalten sie das Gegenmittel prophylaktisch.

Unerlässlich: Transparenz und Information über Syphilis

Wie oben bereits erläutert, besteht eine 40- bis 60-prozentige Wahrscheinlichkeit, sich bei Infizierten anzustecken und Treponema pallidum weiterzugeben. Innerhalb der ersten 90 Tage ist die Gefahr jedoch deutlich verringert. Liegt der Kontakt zum Erreger weniger als drei Monate zurück, kann es sein, dass die Sexual-Partner/-innen dieses Zeitraums „verschont“ bleiben.

Um die Weitergabe auch weiterhin zu verhindern, sollten Paare bei jeder Art von Verkehr Kondome benutzen oder gänzlich auf Sex verzichten. Des Weiteren raten Ärzte zu personengebundenen Hygiene-Artikeln – also jeweils eigenen Waschlappen, Rasierern, Zahnbürsten u.ä. Diese Vorsichtsmaßnahmen gelten, bis die Penicillin-Kur Wirkung zeigt.

Unabhängig davon müssen Syphilis-Patient/-innen ihre Sexual-Partner/-innen namentlich nennen – denn die Krankheit ist meldepflichtig! Das Gesundheitsamt fordert in Frage kommende Personen auf, sich einem Treponema pallidum-Test zu unterziehen.

Im Frühstadium genügt es, die Kontakte der letzten drei Monate anzugeben; bei einem länger zurückliegenden Infektions-Termin macht sich die Nennung aller bisherigen Sexual-Partner/-innen erforderlich.

Auch, wenn diese Maßnahme Unannehmlichkeiten bereitet, ist sie unerlässlich. Anderenfalls folgt die Syphilis dem Schneeball-System und wird ihrer Zusatzbezeichnung „Lues“ / Seuche gerecht.

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